Plötzlich war das Bewusstsein weg. Jonas Ritzels vergangene Tage waren die härtesten in seinem bisherigen Fußballerleben. Der 30-Jährige Keeper der SG Viktoria Bronnzell hat nach einigen Tagen den Schock von Samstag verdaut.
Es lief Minute 40 auf dem Sportplatz in Hessisch Lichtenau. Ein Fernschuss der Gastgeber, plötzlich herrschte Aufregung. Ritzel hechtete nach dem Ball, prallte gegen den Pfosten und blieb regungslos liegen. Das Bewusstsein war weg, zudem blutete der Torhüter. Wie es dazu kam? Ritzel wird es nie beantworten können. Die Ereignisse sind aus seinem Kopf gelöscht. Sein Bewusstsein reicht bis zur Abgabe des Schusses. „Wie ich zum Ball gesprungen bin und was ich falsch gemacht habe, dass ich gegen den Pfosten prallte, ist komplett weg. Ich bin erst wieder zu mir gekommen, als alle um mich herum am Platz standen“, berichtet der 30-Jährige.
Nachdem er wieder bei Sinnen war, merkte er rasch Unstimmigkeiten. Er befand sich in der stabilen Seitenlage, Kopf und Nacken wurde ihm von einem Lichtenauer Spieler – Notfallsanitäter von Beruf – gehalten. Die Handschuhe waren ausgezogen, ab und klappte Ritzel weg. „Der Schmerz – Kiefer und Jochbein sind gebrochen – kam nach und nach, im Gesicht entstand eine Beule und dann war der Krankenwagen und kurz darauf der Hubschrauber schon da“, erinnert sich Bronnzells Schlussmann zurück.
„Ich ringe selten mit Worten, aber die vielen Nachrichten haben mich gerührt“
Nach fast einer Stunde Unterbrechung nahm das Spiel wieder Fahrt auf, Ritzel flog zu jenem Zeitpunkt ins Kasseler Klinikum. Auch der Weg nach Fulda wäre möglich gewesen, im Nachgang ist der ehemaligen Fliedener froh, dass nur die Wahl Kassel blieb. „Der Pilot kam gerade von einem Einsatz und der Sprit hätte nicht mehr bis nach Fulda gereicht. Das Klinikum Kassel ist spezialisiert auf Verletzungen im Kopfbereich, ich war also die vergangenen Tage sehr gut aufgehoben.“ Seit gestern Mittag ist er zurück in der Heimat, die Operation am Sonntag verlief sehr gut. Rund um das Auge wurden ihm drei Platten eingesetzt, da durch den Jochbeinbruch die Gefahr besteht, dass das Auge in ein Loch fällt.
Die Tage im Klinikum hatte Ritzel viel Zeit für sich, doch alleine war er nie. Das Telefon stand nicht still, von allen Seiten erreichten ihn Genesungswünsche. „Ich ringe selten mit Worten, habe eigentlich immer was zu sagen. Was mir jedoch seit Samstag entgegengebracht wurde, ist völliger Wahnsinn. Ich kann mich nur bei jedem Einzelnen bedanken. Es tut unglaublich gut in einer solch schwierigen Zeit, die vielen Nachrichten zu lesen.“ Ritzel ist merklich berührt, dankt explizit dem Lichtenauer Verein und allen, die Erste Hilfe geleistet haben. Dass der Fußball eine große Familie ist, zeigten die Schiedsrichter, die nach der Partie die Tasche ins Klinikum brachten.
Konkurrenzkampf? „Wir alle gehören zur Viktoria“
Die kommenden Monate muss Ritzel die Füße vorerst stillhalten. In einem halben Jahr werden die Platten wieder entfernt, in zwei Monaten schon möchte er mit einer Spezial-Maske erste Schritte am Rasen machen. „Ich konnte bislang nach jedem Spiel den Platz zu Fuß verlassen, hatte nie eine schlimmere Verletzung. Hoffentlich bleibe ich künftig verschont“, sagt der Aufstiegskeeper der Viktoria. Dass er fortan fehlt und die Euphorie des Teams durch die erste Verbandsligasaison in der Geschichte des Vereins nicht zu 100 Prozent aufsaugen kann, schmerzt. „Du arbeitest hart in der Vorbereitung, freust dich auf viele Derbys und ich umso mehr auf das Duell gegen meinen alten Verein Flieden. Und dann kommt nach eineinhalb Spielen dieser Schock. Das muss ich rasch verdauen. Mit Niklas Hofacker haben wir einen super zweiten Torhüter, dem ich die Daumen drücke. Bei uns geht es null um Konkurrenzkampf, wir alle gehören zur Viktoria“, schildert Ritzel, der zudem gerade das Haus umbaut und auch dort zurückstecken muss.
Quelle: www.torgranate.de